Ich weiß nicht, ob Sie Daten auch als das "Öl des 21. Jahrhunderts" sehen. Wahrscheinlich halten aber auch Sie es für unverzichtbar, dass Ihr Unternehmen die Übersicht und Kontrolle über die stetig wachsende Datenmenge hat, oder?
Wer kümmert sich eigenlich in Ihrem Unternehmen um das Thema „Daten“?
Oh, das macht bei Ihnen die IT, das heißt, die Informations-Technologie? Betrachten Sie Daten also als ein technisches Thema?
Ach so, Sie sagen, dass Ihre IT ja auch die Datenbanken betreibt und für die Software zuständig ist? Wenn dies ein gültiges Kriterium ist, brauchen Sie eigentlich auch keinen Finanzvorstand, oder? Schließlich kümmert sich Ihre IT hervorragend um Ihre SAP-Systeme. Und dank Salesforce kann die IT auch den Vertriebsvorstand überflüssig machen, richtig?
Also, Sie meinen vielmehr, die IT sei ja doch irgendwie Daten-affin und kenne sich damit einfach besser aus? Wahrscheinlich beziehen Sie sich dabei auf die Formalisierung der Datenstrukturen. Sollten sich aber für den Inhalt
oder die Bedeutung
von Daten nicht Experten in den Fachabteilungen finden? Und wie gefällt es einem Finanzvorstand, wenn die IT entscheidet, wie "Umsatz" definiert wird?
Natürlich klingt es sehr nach IT, wenn man sagt, dass "zwischen den Entitäten 'Kunde' und 'Kundennummer' eine 1:n-Beziehung herrscht". Die zugrundeliegende Entscheidung aber, ob ein einzelner Kunde mehrere Kundennummern haben kann oder nicht, ist in jedem Fall auf der Fachseite zu treffen. Schließlich handelt es sich in der Regel um inhaltliche (beispielsweise steuerliche, rechtliche oder Prozess-bezogene) Gründe, und nicht um technische Erwägungen.
Wo im Unternehmen sollte ein Datenoffice angesiedelt sein?
Wohin also mit dem Management der Daten, wenn es nicht in die IT gehört?
Nun, in der Tat hängt der Erfolg nicht davon ab, wo in einem Unternehmen das Datenmanagement aufgehängt ist. Es gibt erfolgreiche Chief Data Officer, deren Daten-Office neben den Bereichen IT-Infrastruktur und Software (build/run) unter dem CIO angesiedelt ist.
Entscheidend für ein erfolgreiches, fachübergreifenden Management der Daten sind vielmehr organisatorisch abgesicherte Autorität und Unabhängigkeit des Chief Data Officers.
Allerdings wird das Datenmanagement mittlerweile zunehmend häufig außerhalb der IT angesiedelt, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Diese ergeben sich immer dort, wo die IT gleichzeitig Auftraggeber und Leistungserbringer von technischen Lösungen zum Umgang mit Daten ist.
Ein zweiter Punkt besteht in der Notwendigkeit der Akzeptanz des Datenmanagement quer durch alle Abteilungen. Ein Datenmanagement außerhalb der IT reduziert die Berührungsängste, und ein Chief Data Officer sollte in erster Linie ein Kommunikator sein.
Zum dritten hat sich eine Hierarchie bewährt, bei der der Chief Data Officer dem Chief Information Officer auf Augenhöhe begegnen kann. In modernen Unternehmen ist der Chief Data Officer für die Daten das, was der Chief Financial Officer für die Finanzen ist oder der Personalvorstand für die Mitarbeiter. Kaum jemand käme auf die Idee, letztere an den CIO berichten zu lassen.
Aber funktioniert das Datenmanagement nicht auch schon heute - auch dort, wo der CIO das Thema nebenbei mit betreut? Nun, das hängt davon ab, wie man "funktionieren" definiert. Das Fehlen offener Krisen ist nicht gleichbedeutend mit der optimalen Nutzung aller Möglichkeiten, die uns Daten bieten. Und das Vorhandensein aus Daten abgeleiteter Kennzahlen und Handlungsempfehlungen sagt nichts aus über deren Qualität. Um zu erfahren, ob das heutige Datenmanagement Ihres Unternehmens tatsächlich funktioniert, müssten Sie es sich also genauer anschauen. Alleine dafür benötigen Sie schon eine unabhängige Datenmanagement-Organisation.
Was muss ein modernes Datenmanagement leisten?
Wir alle wissen, dass es heute mehr Daten gibt als jemals zuvor. Erzeugt werden diese Daten beispielsweise durch die wachsende Anzahl eigener Stammdaten, durch Mitteilungen von Kunden, durch die sozialen Netzwerke, durch Sprach- und Schrifterkennung, über Sensoren (IoT), durch das Protokollieren von Ereignissen und viele andere Quellen.
Hinzu kommen ein zunehmender Detaillierungsgrad (es werden immer mehr Details zu einzelnen Vorgängen gespeichert) sowie rechtliche Anforderungen beispielsweise in Bereich der Rückverfolgbarkeit. Es lässt sich außerdem feststellen, dass nicht nur die schiere Menge an Daten zunimmt, sondern auch deren Komplexität. Daher sind immer günstigere Speichermedien keine hinreichende Lösung, um der heutigen Daten-Flut Herr zu werden.
Lassen Sie uns also einen Blick auf einige Voraussetzungen für ein gut "funktionierendes" Datenmanagement werfen. Welche dieser Punkte hat Ihr Unternehmen bereits umgesetzt?
A) Daten sollten inhaltlich betrachtet werden, nicht technisch
Die Bedeutungshoheit für Daten liegt bei den inhaltlich Verantwortlichen.
Die IT ist wichtig für die Bereitstellung von Lösungsansätzen. Eine Lösung bedingt aber ein Problem oder eine Aufgabenstellung. Diese sollten von den Fachseiten kommen.
Check:
Hat Ihr Unternehmen schon einen Mechanismus, der bei den fachlichen Problemen und Möglichkeiten beginnt und diese aus Datensicht analysiert? Oder kommen auch bei Ihnen zunächst modernste Lösungen von der IT ("Wir müssen jetzt Cloud machen, und Spark, und Deep Learning mittels TensorFlow, und…"), um in einem zweiten Schritt nach passenden Problemen zu suchen?
B) Daten sollten abteilungsübergreifend betrachtet werden
Wem gehören Kundendaten? Produktdaten? Es ist fast nie eine einzige Abteilung! Wenn aber verschiedene Teams unabhängig voneinander dieselben Daten bearbeiten, bleibt die Kompatibilität auf der Strecke. Man kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen und Interpretationen. Missverständnisse sind die Folge.
Die Lösung besteht allerdings nicht darin, dass nun der Chief Data Officer entscheidet. Vielmehr wird dieser den Entscheidungsprozess so aufsetzen, dass alle Betroffenen gemeinsam an Lösungen arbeiten. Auch Entscheidungen sollten durch ein funktionsübergreifendes, hochrangiges Entscheidungsgremium im Sinne des Gesamtunternehmens getroffen werden.
Check:
Wer stellt in Ihrem Unternehmen die Einbindung aller Fachabteilungen in eine inhaltliche(!) Diskussion über den Umgang mit Daten sicher?
C) Der ganze Datenzyklus von der Entstehung bis zur Nutzung gehört zusammen
Daten werden gewonnen, erzeugt, gesammelt oder gekauft. Sie werden gespeichert, übertragen, wieder gespeichert. Dabei werden sie oft gefiltert, gemischt oder angereichert. Schließlich werden sie genutzt, zur operativen Prozessunterstützung, zur Automatisierung von Prozessen, zur Information von Kunden, Behörden und Lieferanten. Schließlich kommen noch Reporting und Analytics hinzu.
In vielen Unternehmen ist Datenmanagement gleichbedeutend mit Analytics. Alle vorhergehenden Schritte werden einer erhofften Selbstorganisation überlassen. Infolgedessen arbeiten möglicherweise hochqualifizierte Datenexperten unter Verwendung modernster Algorithmen mit unsauberen Daten. Man muss es so hart sagen: Die Ergebnisse sind wertlos.
Es hilft auch nicht, wenn Ihre Analytics-Abteilung stets versucht, die Daten vor der Analyse zu säubern. Zum einen sind fehlende Informationen meist unrettbar verloren, und zum anderen werden dann die Datenanalysen mit anderen Daten durchgeführt als die operativen Prozesse.
Alle Stufen benötigen also dieselben Definitionen, dieselbe Vollständigkeit, dieselbe Aktualität, dieselbe Datenlogik, dieselbe Datenqualität.
Check:
Wie stellt Ihr Unternehmen eine durchgängige, einheitliche Qualität aller Daten sicher? Wer koordiniert bei Ihnen, durch wen Daten verändert werden dürfen? Könnten Sie Ihre Datenqualität auditieren?
D) Daten sind Vermögenswerte, wie Produktionsanlagen oder Patente auch
Daten haben nicht nur alle positiven Eigenschaften anderer Vermögenswerte, sie haben auch noch weitergehende Vorteile. Beispielsweise werden Daten nicht weniger, wenn sie genutzt werden, sie können durch mehrere Prozesse parallel genutzt werden, und sie können mit Lichtgeschwindigkeit von einem Ort zum anderen verbracht werden.
Deswegen sollte jedes Unternehmen wissen, welche Daten ihm zur Verfügung stehen. Diese Daten sollten verwaltet und gewartet werden. Ihre Werte sollten beziffert werden und in Business Cases Verwendung finden.
Check:
Hat Ihr Unternehmen eine genauso gute Übersicht über seine Daten wie über seine anderen Vermögenswerte? Sind die Werte alle Ihrer Daten beziffert, nach Verkehrswert, potenziellem Verkaufswert oder Nutzwert? Stehen Ihre Daten für eine optimale Nutzung allen relevanten Mitarbeitern und Prozessen zur Verfügung?
E) Jeder Mitarbeiter sollte im Umgang mit Daten geschult sein
Nicht nur Spezialisten sind für Daten verantwortlich - Daten sind Bestandteil eines jeden Jobs. Eine proaktiv auf Daten geschulte Belegschaft fördert das kreative Mitdenken, reduziert die Gefahr von Fehlern durch Unkenntnis und erhöht das Verantwortungsbewusstsein.
Datenaffin zu sein bedeutet nicht, dass man sein Smartphone bedienen kann. Man sollte zudem hinter die Kulissen blicken können und beispielsweise verstehen, wie Daten ein Smartphone benutzerfreundlich machen.
Natürlich muss aber nicht jeder Mitarbeiter ein Fachmann für Datenstrukturen, -prozessen und -lösungen sein. Man muss ja auch kein KfZ-Mecharoniker sein, um autofahren zu können. Datenschulung sollte immer Zielgruppen-orientiert sein.
Check:
Wie sorgt Ihr Unternehmen für eine im Umgang mit Daten geschulte Belegschaft?
Fazit:
Ein optimales Management von Daten sollte heutzutage auf Vorstandsebene angesiedelt sein, funktionsübergreifend und unabhängig.
Nur ein Chief Data Officer, dem gegenüber weder eine Fachabteilung noch die IT weisungsbefugt ist, kann im Sinne des Shareholder Value dafür sorgen, dass aus Daten ein echter finanzieller Mehrwert entsteht.